Authentizität ist eines der vielen wohlklingenden Schlagworte in der Persönlichkeitsentwicklung. Aber was steckt wirklich dahinter? Müssen – und vor allem – können wir immer authentisch sein? Nehmen wir alle nicht ab und an eine Rolle an, um im Leben vorwärts zu kommen? Gibt es Regeln oder moralische Verpflichtungen, die uns ab und an in ein Korsett zwingen?
Viele Fragen, die sich um das Thema Authentizität ranken und auf die meisten von ihnen gibt es keine klare Antwort. Wie so vieles im Leben ist auch “authentisch sein” nicht nur in schwarz oder weiß möglich.
Ich selber habe mich lange mit diesem Thema auseinandergesetzt und musste viele alte Muster und Glaubenssätze bearbeiten, um dann mit einem freien Blick darauf festzustellen, dass Authentizität nicht bedeutet, dass man seine Persönlichkeit in Stein meißeln muss. Sehr wohl bedeutet authentisch sein aber, dass man alle Aspekte seiner Persönlichkeit akzeptiert und ihnen treu bleibt.
Bei mir sind es vor allem die Tattoos, die häufig Blicke auf sich ziehen. Als ich damals anfing, meine Körperkunst auf den sichtbaren Bereich auszuweiten, erklärte mir ein Bekannter, ich müsse mir jetzt klar darüber sein, dass ich damit polarisieren würden. Damals dachte ich, es sei mir egal, wenn andere Menschen mich in eine Schublade stecken würden. Ich wüsste schließlich, wer ich sei und was ich könne. Erst unzählige Sommer später, in denen ich mir in langärmligen Blusen in der Praxis die Seele aus dem Leib geschwitzt habe, wurde mir klar, dass es mir weder egal war, was andere dachten, noch dass ich selber mir beim Anblick meiner Tattoos eine gewisse Kompetenz zugesprochen hätte. Die Erkenntnis traf mich wie ein Schlag und ich fragte mich, warum ich mich selber durch solche Glaubenssätze limitierte. Ich fing an, daran zu arbeiten, Stück für Stück ließ ich meine Tattoos – und damit einen Teil meiner Persönlichkeit – sichtbar werden. Sichtbar nicht nur für Menschen, bei denen ich mich sicher fühlte, sondern eben auch für diejenigen, die sich zu mir in die Praxis begaben, weil sie mich für kompetent hielten. Und was soll ich sagen? Niemand hat sich je daran gestört. Inzwischen lächel ich erste irritierte Blicke einfach weg. Und ich merke, dass ich das mit einer großen Gelassenheit tun kann.
Genauso kann ich zu einem Geschäftsessen aber auch im Kostüm erscheinen. Das steht für mich in keinem Widerspruch mehr zu meinem Gefühl, authentisch zu sein, denn ansonsten würde es bedeuten, ich reduziere meine Persönlichkeit auf meine Tattoos. Ich habe gelernt, dass ich mit meinem Wissen und meiner Kompetenz im beruflichen Rahmen überzeuge, nicht mit meinem Äußeren. Für mich war es wichtig, zu erkennen, dass mein Erscheinungsbild eine Facette meiner Persönlichkeit ist, aber eben nicht die alleinige. Ich kann in jeder Situation authentisch sein. Mit dem, was ich sage, was ich ausstrahle, wie ich mich verhalte.
Wichtig ist, dass man bei allem, was man tut und sagt, nicht gegen seine Prinzipien handelt. Denn dann ist man nicht mehr authentisch! Was zur Folge hat, dass man sich selber nicht nur unwohl fühlt und unzufrieden ist, sondern dass andere das auch wahrnehmen. Jemand, der zum Beispiel ein Produkt verkauft, von dem er nicht überzeugt ist oder dem das Verkaufen per se unangenehm ist, der wird damit nicht überzeugend und erfolgreich sein. Authentizität ist immer auch Ehrlichkeit. Und die meisten Menschen haben eben ein sehr feines Gespür dafür, ob ihr Gegenüber ehrlich ist oder nur eine Rolle spielt und dies auch noch äußerst ungern.
Deine Vio