Violetta Braimovic Potrait - schwarz weiß, nur Gesicht erkennbar

Corona – wir sind nicht hilflos

Noch vor wenigen Wochen hätte ich mir nicht träumen lassen, dass wir alle in eine Situation geraten, in der Beiträge wie dieser, notwendig werden. Nun ist sie da – die Situation. Ein kleines Virus hat uns kalt erwischt. Wir fühlen uns in unserer physischen und psychischen Gesundheit bedroht.

Wir müssen „Social Distancing“ praktizieren, d.h. (physische) Kontakte auf eine Minimum reduzieren, sind aus dem Alltag gerissen, stehen vor nie gekannten Herausforderungen. Diese Umstände verlangen uns viel ab. Sie überfordern so manchen von uns. Besonders hart trifft dieser Umstand psychisch vorerkrankte und alleinstehende (alte) Menschen.

@Hermann O. Ehlers

In Zahlen ausgedrückt, sprechen wir von 17,3 Millionen Einzelpersonenhaushalten (davon ca. 6.000.000 Millionen alleinlebender Rentner) (1). Hinzu kommen die psychisch erkrankten Personen. 2019 waren 27,8 % (17,8 Millionen) der Erwachsenen in Deutschland von psychischen Erkrankungen betroffen. Davon litten allein 15,4 % an Angststörungen und 8,9 % (hierzu zählen u.a. Depressionen) an affektiven Störungen (2). Für diese Gruppen birgt die aktuelle Situation große Schwierigkeiten.

Aber auch Menschen, die in Beziehungen oder Familienverbunden leben, psychisch unvorbelastet sind und über ausreichend Ressourcen verfügen, kommen inzwischen zunehmend an ihre Grenzen.

Die Kinder sind durchgehend zu Hause, der Schulunterricht wird weitestgehend von den Eltern übernommen. Kann man nicht im Home-Office arbeiten, muss zusätzlich die Betreuung der Kinder sichergestellt werden. Und auch das Arbeiten im Home-Office verlangt große Disziplin und muss mit den Belangen der Familie abgestimmt werden. Neben all dem braucht es auch Beschäftigung für die Kinder, denn auch die leiden sehr unter der Trennung von ihren Freunden. Austoben auf dem Spielplatz ist nicht möglich und nicht jeder ist in der glücklichen Lage, einen Garten sein Eigen zu nennen. Und selbst dann, fehlen ja immer noch die anderen Kinder. Sind Geschwisterkinder in den Familien bringt das etwas Entlastung, häufig aber auch neue Konflikte.

Stichwort Konflikte: Die Ausgangsbeschränkungen bergen eine große Gefahr für die Zunahme häuslicher Gewalt. Dies betrifft vor allem Kinder, Jugendliche und Frauen. Aber auch Männer sind zunehmend von häuslicher Gewalt betroffen und sollen an dieser Stelle keine Ausnahme bilden.

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Egal ob jung oder alt. Menschen leiden unter der mangelnden Nähe zu geliebten Menschen. Familienmitglieder und Freunde sind häufig in großer Ferne. Keine Umarmung zur Aufmunterung, als Trost oder auch als Zeichen der Zuneigung. Vieles spielt sich aktuell ausschließlich im digitalen Raum ab. Hinzu kommt das Gefühl, sich vor seinen Mitmenschen schützen zu müssen. Überspitzt dargestellt ist jeder Mitmensch ein potenzieller Virusträger und wird somit als Feind für die eigene Gesundheit angesehen. Das führt dazu, dass viele Menschen sich momentan vorsichtig und bisweilen auch misstrauisch beäugen. Hinzu kommen Existenzängste, die Sorge um den Arbeitsplatz oder das eigene Geschäft. Wie geht es weiter? Eine Frage, die sich wohl jeder in dem ein oder anderen Zusammenhang in den letzten Tagen und Wochen schon gestellt hat.

Auch wenn die momentanen Maßnahmen richtig und wichtig sind, müssen wir doch irgendwie mit ihnen umgehen. Wir müssen gravierende Einschnitte in unserem Alltag, unserem Privatleben kompensieren. Unsere bis dato so selbstverständliche Freiheit, ist stark eingeschränkt. Was macht das mit uns? In erster Linie macht es den meisten Menschen Angst. Es zeigt uns auf, dass wir verwundbar sind. Das wir manche Dinge nicht bis ins Detail kontrollieren können. Aber auch jetzt sind wir der Situation nicht hilflos ausgesetzt!

Was wir tun können, um unsere psychische und körperliche Gesundheit zu stärken:

Tagesrhythmus beibehalten bzw. schaffen

Kürzlich sagte eine Bekannte zu mir, sie würde sich jeden Tag so anziehen und zurecht machen, als würde sie ins Büro gehen. Das würde ihr helfen, eine gewisse Routine einzuhalten. Wie wichtig das ist, wissen vor allem Menschen, die schon mal mit einer Depression konfrontiert waren. In Therapien ist das eine der ersten Maßnahmen, die man zu etablieren versucht. Ein geregelter Tagesablauf kann uns helfen, emotionale Stabilität zu erlangen. Wir fühlen uns sicherer, wenn die Dinge täglich ihren gewohnten Lauf nehmen. Feste Zeiten und Strukturen helfen uns, unsere Aufgaben zu bewältigen. Dabei sollten diese unbedingt sinnvoll an die veränderte Situation angepasst werden. Hier ist es hilfreich, einen schriftlichen Plan zu erstellen und sich so bewusst zu machen, wie viel Zeit man hat und wie man diese einsetzt. Denn der Tag hat auch weiterhin nur 24 Stunden, egal, ob wir neben dem Home-Office noch mit den Kindern lernen müssen oder nicht. Die größte Gefahr liegt hier eindeutig darin, sich zu überfordern. Also unbedingt bewusst und überschaubar planen und im Zweifel lieber den ein oder anderen Abstrich machen!

Gegenseitige Rücksichtnahme und Grenzen setzen

Selbst unter normalen Umständen kommen die meisten Familien nicht ohne kleinere oder manchmal auch größere Konflikte aus. Im Moment ist es noch mal deutlich schwieriger. Wir haben kaum die Möglichkeit, zu entfliehen und sind daher gezwungen, viele Situationen auszuhalten. Hier können klare Regeln helfen, die wir zusammen mit unserer Familie aufstellen können. Ganz wichtig ist an der Stelle, miteinander zu reden! Bedürfnisse jedes Einzelnen müssen Raum finden. Bitte bedenkt aber auch, dass niemand Eure Gedanken erraten kann.

Mögliche Regeln können sein:

  • mit den Kindern einen Stundenplan festlegen
  • mögliche Beschäftigungen für die Zeit in der Elternteile im Home-Office arbeiten
  • einen festen Rückzugsort installieren, den jeder aufsuchen darf, wann er möchte und an dem er ungestört verweilen kann
  • in regelmäßigen Abständen eine Familien-Gesprächsrunde abhalten (möglichst mit positiven Dingen starten und insgesamt zeitlich beschränken)
  • tägliche feste Rituale einführen (z.B. Gesellschaftsspiele, gemeinsam kochen)
  • einander ausreden lassen
  • nicht diskutieren, wenn man emotional aufgewühlt oder wütend ist
  • Toleranz und gegenseitiges Verständnis zeigen, denn die Situation ist für alle gleich belastend
  • eventuelle Ängste ernst nehmen

An die frische Luft gehen und sich sportlich betätigen

Die Verordnungen der Bundesländer im Rahmen der Ausgangsbeschränkungen lassen in den meisten Fällen die Bewegung an der frischen Luft zu. Das sollten wir auch unbedingt nutzen! Geht an die Luft, genießt die Frühlingssonne. Die Kinder können sich austoben (natürlich nicht mit anderen Kindern) und sind dadurch weniger quengelig. Ein Spaziergang oder eine Runde joggen dient nicht nur der Abwechslung, sondern stärkt das Immunsystem ebenso wie unser Herz-Kreislaufsystem und unser Wohlbefinden.

Auch zu Hause sollte man sich regelmäßig bewegen. Hier können wir alle Familienmitglieder einbinden, denn zusammen macht ein wenig Sport doch gleich viel mehr Spaß und spornt an!

Auf die Ernährung achten

Viel frisches Obst und Gemüse sollte gerade jetzt vermehrt auf den Teller kommen. Auf Alkohol solltet Ihr momentan lieber verzichten, um Euer Immunsystem nicht zusätzlich zu schwächen.

In Verbindung bleiben

Nutzt die Möglichkeiten der digitalen Kommunikation! Via Chat, Skype oder Telefon können wir heute 24/7 miteinander verbunden sein. Vergesst hierbei auch Eure Kinder nicht. Selbst für die Kleinen kann skypen mit der besten Freundin/dem besten Freund ein wunderbares Erlebnis sein. Auch wenn die körperliche Nähe im Moment fehlt, können wir uns über all diese Kanäle austauschen, Mut machen, miteinander lachen und auch weinen. Ein simples „Wie geht´s dir?“ hat momentan für viele von uns eine große Bedeutung. Lasst uns füreinander da sein!

Sich sinnvoll beschäftigen

Natürlich kann man auch mal eine Netflix-Serie „durchsuchten“, wenn man über einen längeren Zeitraum notgedrungen zu Hause ist. Aber Videospiele & Co. sollten nicht zur Hauptbeschäftigung werden. Besser ist es, mal richtig auszumisten, den Frühjahrsputz zu machen, ein gutes Buch zu lesen oder sich einfach mit dem beschäftigen, wofür sonst selten Zeit ist. Auch Online-Kurse in verschiedenen Bereichen können die Langeweile vertreiben.

Vor Fake-News schützen

Gerade in Krisenzeiten haben Fake-News Hochkonjuktur! Was auch immer Menschen dazu bewegt, andere in Panik und Hysterie zu versetzen, es funktioniert. Daher sollten wir uns seriöse Quellen suchen, aus denen wir unsere Informationen beziehen. Und wir sollten uns ebenso vor einer Informationsflut schützen, denn auch das kann uns gewissermaßen um den Verstand bringen.

Hier der Podcast meines Lieblingsvirologen:

The Daily Streeck

Unterstützung suchen

Wenn trotz allem einfach nichts mehr geht, traut Euch, um Unterstützung und Hilfe zu bitten!

Wir bieten Euch die Möglichkeit kostenlose Erstgespräche mit uns via Telefon oder Skype zu führen. Dazu schreibt uns bitte unter Angabe Eurer Telefonnummer an info@mindwellness-berlin.de Wir melden uns zeitnah bei Dir zurück!

Wichtige Rufnummern für Krisensituationen

„Nummer gegen Kummer“
für Kinder und Jugendliche
116 111
Elterntelefon0800 111 0550
Pflegetelefon030 2017 9131
Hilfetelefon „Schwangere in Not“0800 404 0020
Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ 0800 011 6016
Hilfe für Gewaltopfer 116 006
Telefonseelsorge bundesweit0800 111 0 111

Bleibt gesund und denkt daran, dass jeder Sturm irgendwann vorüber zieht!

Alles Liebe, Eure Vio.

Quellen:

(1) https://de.statista.com/statistik/daten/studie/156951/umfrage/anzahl-der-einpersonenhaushalte-in-deutschland-seit-1991/

(2) https://www.dgppn.de/_Resources/Persistent/154e18a8cebe41667ae22665162be21ad726e8b8/Factsheet_Psychiatrie.pdf