
Du hast dich sicherlich schon einmal darüber geärgert, wenn du jemandem etwas erzählst, der dich immer wieder mit Sätzen wie „vielleicht wäre es besser gewesen, wenn du es so oder so gemacht hättest …“ oder „ich an deiner Stelle hätte so gehandelt …“ unterbrochen hat. Wie hat sich das für dich angefühlt? Du teilst deinem Gesprächspartner etwas mit, das dich gerade beschäftigt und wünschst dir, dass er dir aufmerksam zuhört, sich selbst in diesem Moment zurücknimmt und sich auf dich konzentriert. Unterbrechungen dieser Art können ziemlich frustrierend sein. Hast du vielleicht das Gefühl nicht richtig wahrgenommen zu werden, weil dein Gegenüber eigentlich viel zu sehr mit sich selbst beschäftigt ist?
Aktives Zuhören – nicht immer einfach
Leider kommt das im Alltag beängstigend oft vor. Hektik und Stress führen häufig dazu, dass man nicht aktiv zuhört. Man ist mit sich selbst, seinem Arbeitstag und eigenen Problemen beschäftigt, so dass man nach kurzer Zeit am eigentlichen Gespräch gar nicht mehr teilnimmt und nur noch über sich selbst nachdenkt. Solche Situationen führen dann zu voreilig gezogenen Schlüssen oder es wird zu viel von sich selbst geredet und zu wenig zugehört.
Wenn du ehrlich zu dir selbst bist, wirst du zugeben müssen, dass auch du dich bestimmt selbst schon so verhalten hast. Möglicherweise hast du es nicht einmal bemerkt, aber dein Gesprächspartner hat sich dabei wahrscheinlich genauso schlecht gefühlt, wie du es tun würdest. Hinhören heißt eben nicht automatisch auch zuhören. Und genau das ist ein großer Mangel in unserer Gesprächskultur.
In unserer Gesellschaft setzt sich derjenige durch, der am lautesten schreit und auf sich aufmerksam macht. So wachsen wir auf. Nur, wer präsent ist und sich durchsetzen kann wird am Ende als Sieger hervorgehen. Die eigene Redezeit wird dabei als Maßstab genommen. Das Problem dabei ist, dass man nur noch sich selbst reden hört und nicht mehr auf das achtet, was der andere zu sagen hat. Dies führt dann unweigerlich zu Konflikten, Missverständnissen und Frustrationen, weil wir aneinander vorbeireden. Gerade in der momentanen Pandemie wünschen sich sehr viele Menschen, dass sie sich mitteilen können und ihnen aktiv zugehört wird.
Der amerikanische Psychologe und Psychotherapeut Carl Rogers ist Vater des aktiven Zuhörens, welches er erstmals als Werkzeug für die Gesprächs-psychotherapie entwickelte.
Empathisch zu sein, bedeutet, die Welt durch die Augen der anderen zu sehen und nicht unsere Welt in ihren Augen.
Carl Rogers
Warum aktives Zuhören auch Empathie bedeutet
Empathie bedeutet also, in der Lage sein zu können, die Situation deines Gegenübers nicht aus der eigenen Perspektive zu betrachten, sondern aus seiner. Es ist deshalb erforderlich zu erfahren, wie er die Welt um sich herum sieht und erlebt. Und dieses Wissen erlangt man nur, indem man seinem Gesprächspartner bewusst und aufmerksam zuhört. Hierbei zeigst du deinem Gesprächspartner Wertschätzung und Respekt, denn aktives Zuhören zeigt ehrliches Interesse am Anderen, weil er wirklich „gehört“ wird. Leider wird das aktive Zuhören viel zu sehr unterschätzt. Denn würden wir, selbst in für uns stressigen Situationen lernen, aufmerksam zuzuhören und könnten uns zurücknehmen, könnten wir Konflikten viel besser begegnen.
Nimmt dein Gesprächspartner wahr, dass du wirklich verstehen willst, was er dir mitteilen möchte, ist er genauso bereit, Gleiches für dich zu tun. Das wiederum führt dazu, dass er gerne Zeit mit dir verbringt und sich eher bestimmten Themen öffnet. Außerdem beugst du so Missverständnissen und Konflikten vor. Gehst du weniger von dir selbst aus und stellst weniger Vermutungen an, entwickelst du Verständnis für die Bedürfnisse und Wünsche deines Gegenübers. Fühlt sich dein Gesprächspartner von dir angenommen, weil du ihm die Möglichkeit gibst, ihn ausreden und sich in seiner Art ausdrücken zu lassen, schaffst du eine gute Grundlage für eine gute Kommunikation und Beziehung zwischen euch.
Echtes Zuhören ist ein aktiver Prozess und bedeutet eben nicht einfach nur ruhig zu sein, hinzuhören oder den Mund zu halten. Es kann unsere alltäglichen Interaktionen stark verändern, wenn man Menschen das Gefühl gibt, wahrgenommen und gehört zu werden. Auch du selbst wirst dadurch als jemand empfunden, bei dem man sich respektiert und wertgeschätzt fühlt, und du wirst erstaunt sein, was für persönliche Dinge du zu hören bekommen wirst.
Tipps für aktives Zuhören
Laut Carl Rogers kannst du das aktive Zuhören erlernen, wenn du einige Punkte in deiner Kommunikationsführung beachtest:
- Sei authentisch
- Bewerte nicht das Gesagte deines Gesprächspartners
- Konzentriere dich ganz auf dein Gegenüber und drücke es auch durch deine Körperhaltung aus (z.B. durch Blickkontakt, kein ständiger Blick aufs Handy)
- Achte auf deine eigenen Gefühle und stelle sie für den Moment in den Hintergrund
- Gehe mit deiner eigenen Meinung zurückhaltend um
- Wiederhole mit deinen eigenen Worten, was du verstanden hast. So erkennt dein Gesprächspartner, ob das Gesagte richtig bei dir angekommen ist
- Frage nach, wenn du etwas nicht verstanden hast bzw. stelle gezielte Fragen, um dein Interesse zu signalisieren
- Versuche Pausen auszuhalten
- Vermeide Unterbrechungen und lass deinen Gesprächspartner ausreden
- Versuche dich in ihn hineinzuversetzen und seine momentane Situation aus seiner Sicht zu verstehen
- Erkenne die Gefühle deines Gegenübers und trau dich, sie anzusprechen
Ich gebe zu, es ist nicht einfach, sich gerade in konfliktbeladenen Situationen an all diese Punkte zu erinnern und sie auch noch einzuhalten. Auch mir machen meine aufkommenden Emotionen, gerade im privaten Bereich, oft einen Strich durch die Rechnung. Vor allem auch, wenn ich merke, dass mein Gegenüber das aktive Zuhören nicht beherrscht. Wichtig ist dann, dass du den ersten Schritt machst und deinem Gesprächspartner deinen Respekt entgegenbringst. Bemerkt er dies, wird er dein Verhalten spiegeln und ihr werdet einen gemeinsamen Weg für euch finden. Das aktive Zuhören erfordert eben viel Übung, doch es wird sich lohnen. Du wirst in der Lage sein, andere Meinungen zuzulassen und die Bereitschaft entwickeln, Kompromisse zu finden. Wir lernen dadurch, gemeinsam fokussierter Probleme zu lösen und Entscheidungen treffen zu können.
Wertschätzung und Akzeptanz sind der Schlüssel eines vertrauensvollen Miteinanders, das du auch in unseren Coachings erfährst. Und das fängt beim Zuhören an!
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