
Vor einigen Tagen haben wir die Abonnenten unseres Social-Media-Kanals gefragt, welche Emotionen sie gerne mal unterdrücken. Mit Abstand am häufigsten genannt wurde die Wut. Aber warum ist das so? Wenn man Wut als Schlagwort bei Google eingibt, kommen Vorschläge wie „Wut loswerden“, „mit Wut umgehen“ oder auch „unterdrückte Wut“.
Gehörst auch du zu den Menschen, die Wut als etwas Negatives betrachten? Fühlst du dich vielleicht sogar hilflos und schwach, wenn du wütend bist? Oder ist Wut für dich unter Umständen sogar etwas, wofür du dich schämst? Kannst du Wut als Emotion wahrnehmen und zulassen oder benennst du sie vielleicht um? Lass uns unsere Wut etwas genauer betrachten und herausfinden, was sie so besonders macht.
Blinde Wut ist deshalb so gefährlich, weil man erst nach dem Ausbruch der Wut sieht, was man angerichtet hat.
Pascal Hilgendorf
Woher kommt unsere Wut?
Wut trifft uns in der Regel in den verschiedensten Situationen. Nicht selten sind es Kleinigkeiten, die uns zum Brodeln bringen und uns wütend machen. Auf der Straße rempelt uns jemand an, ohne sich zu entschuldigen, die Kinder räumen trotz mehrmaliger Ermahnung ihr Zimmer nicht auf, die Freundin kommt nicht pünktlich zur Verabredung – jeder von uns kann sicher endlos viele ähnliche Situationen aufzählen, in denen sich unser Ärger seinen Weg bahnt. Das Problem: Die Wut in uns führt zu Handlungen, die den Ärger und die Wut häufig verstärken. Wer kennt es nicht – ein Wort gibt das andere. Man sagt oder tut Dinge, die man im Nachhinein bereut und die einem leid tun. Sicher hast auch du in so einer Situation schon das ein oder andere Mal gedacht „Warum hab ich nicht einfach den Mund gehalten und meine Wut runtergeschluckt!“ Aber ist das wirklich sinnvoll? Dazu später mehr.
Schauen wir uns jetzt erst einmal an, warum wir überhaupt wütend werden. Wut empfinden wir immer dann, wenn etwas nicht so läuft, wie wir es uns wünschen, unsere Grenzen nicht gewahrt werden oder wir nicht bekommen, was wir gerade benötigen. Dabei geht es immer um tieferliegende Bedürfnisse, die in den entsprechenden Situationen nicht erfüllt werden. Nehmen wir das Beispiel der Freundin, die zu spät kommt. Hier könnten unter anderem Gedanken wie „Ich bin ihr nicht wichtig genug, um pünktlich zu kommen“ oder „Sie schert sich nicht um meine Zeit, das ist respektlos“ auftauchen. Die Bedürfnisse dahinter wären dann Wertschätzung und ein respektvoller Umgang. Durch die Unpünktlichkeit werden diese Bedürfnisse in der Situation subjektiv nicht erfüllt und genau das verursacht Wut. Unsere Wut hat viel mit unserem Selbstwert und der Angst vor Ablehnung zu tun. Wir wünschen uns die Situation anders, als sie in dem Augenblick ist.
Im Grunde ist Wut also nichts anderes als ein Zeichen dafür, dass wir uns eine Veränderung der Situation wünschen. Lernen wir unsere Wut zu kontrollieren und zu hinterfragen, können wir viel über unsere wahren Bedürfnisse herausfinden.
Unkontrollierte Wut kann krank machen – unterdrückte Wut auch
Aktuelle Studien sprechen eine klare Sprache. Es gibt deutliche Zusammenhänge zwischen unkontrollierter Wut und dem Risiko eine Herz-Kreislauf-Erkrankung zu entwickeln. Das bedeutet im Klartext, wer immer nur drauf los brüllt oder sich so in seine Wut reinsteigert, dass er über mehrere Stunden gedanklich in der Situation festhängt und sich ärgert, riskiert seine Gesundheit, denn Wut erzeugt Stress. Und gestresste Menschen geraten schneller in Wut – ein Teufelskreis. Auf der anderen Seite ist unterdrückte Wut ebenso ungesund – für die Psyche (erhöht das Risiko, an einer Depression zu erkranken) genauso wie für den Körper. Unterdrückte Wut kann auch zu einem passiv-aggressiven Verhalten führen. Dieses Verhalten führt dazu, dass wir unsere Wut keinen Raum geben, die Konfrontation meiden und stattdessen den Situationen / Personen, die uns wütend machen, aus dem Weg gehen. Die eigene Wut nicht zu spüren kann auch dazu führen, dass wir mit einem bestimmten Verhalten andere Menschen unterschwellig provozieren und sie so unsere Wut leben lassen. Außerdem staut sich unterdrückte Wut an und wird sich irgendwann ihren Weg bahnen. Häufig kommt es dann zu massiven Wutausbrüchen, die Menschen in unserem Umfeld treffen und verletzen können. Und nicht selten für alle Beteiligten einen bitteren Beigeschmack hinterlassen.
Wie gehst du richtig mit deiner Wut um?
In erster Linie gilt es, die Wut zu kommunizieren. Aber eben nicht, indem wir drauf los brüllen, sondern sachlich und ruhig. Dazu müssen wir unsere Wut in der Regel erstmal etwas abkühlen. Hierbei können dich folgende Tipps unterstützen:
- Nimm dir einen Moment und atme 10x tief ein und aus. Konzentriere dich dabei ausschließlich auf deinen Atem. Nimm dabei bewusst wahr, wie sich dein Brustkorb und deine Bauchdecke heben und wieder senken.
- Mache nach Möglichkeit einen Spaziergang oder verschaffe dir eine kurze Ruhepause
- Hinterfrage deine Gedanken. In dem Beispiel mit der Freundin wäre es zum Beispiel hilfreich, dich zu fragen, ob du wirklich sicher sein kannst, dass es wahr ist, dass sie dich nicht wertschätzt und dir Respekt entgegenbringt.
- Frage dich mit etwas Abstand, ob deine Grenzen wirklich überschritten wurden oder ob du vielleicht überreagiert hast.
- Lenke deine Energie um. Zum Beispiel mit Gartenarbeit, Sport o.ä.
- Notiere dir die Auslöser deiner Wut und hinterfrage sie. Dieser Punkt ist besonders wichtig, denn damit deckst du die Bedürfnisse hinter deiner Wut auf.
Hast du herausgefunden, was genau deine Wut ausgelöst hat, welches Bedürfnis dahintersteckt und was du gerne verändern möchtest, dann suche das Gespräch mit der betreffenden Person. Du wirst merken, dass deine Wut so zu einer positiven Energie wird und dir als Antrieb für Veränderungsprozesse dienen kann.
In unseren Coachings können wir Deine Wut analysieren und Dich im Umgang mit ihr unterstützen.
Deine Vio
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