Toxische Positivität

Toxische Positivität – Warum nicht immer alles rosarot ist!

Wo viel Licht ist, ist starker Schatten.

Johann Wolfgang von Goethe

Schon Goethe ließ uns damit wissen, dass das Leben nicht immer nur Sonnenschein für uns bereithält. In meinem Blogbeitrag „Auf der Suche nach dem ewigen Glück“ habe ich die Positiv-Denken Szene bereits kurz thematisiert. Inzwischen warnen Psychologen bereits vor dem Phänomen der toxischen Positivität. In diesem Beitrag will ich noch einmal etwas genauer darauf eingehen, wann Positivität toxisch werden kann.

Egal, wie sehr Du Dich bemühst, negative Gefühle und Gedanken gehören zu Deinem Dasein dazu. Sie zuzulassen und Dich mit ihnen auseinanderzusetzen ist für Deine psychische und physische Gesundheit unerlässlich! Kein Mensch kann auf Dauer seine negativen Gefühle und Gedanken ignorieren ohne sich selbst zu schädigen. Sprüche wie „Good vibes only“ und „Only positive thoughts“ halten sich hartnäckig in der Coaching-Szene und begegnen einem nahezu täglich. Bei mir haben sie früher immer ein schlechtes Gewissen verursacht, weil ich nicht 24/7 positiv denken und fühlen konnte. Es ging sogar soweit, dass ich immerzu befürchtete, meine Manifestationsübungen komplett in die Tonne zu hauen, wenn sich da auch nur ein negativer Gedanke oder Zweifel einschlich. Bis ich mich intensiver mit dem Thema zu beschäftigen begann und begriff, dass das Leben an der ein oder anderen Stelle einfach zu turbulent ist, um alles immer positiv zu sehen. Und schließlich gehören die negativen und traurigen Momente zum Leben dazu. Es ist nicht immer alles Friede, Freude, Eierkuchen.

Warum auch unsere Schattenseiten gut und richtig sind

Toxische Positivität

Jeder kennt sie und jeder hat sie – die eigenen Schattenseiten. Dinge, die im Leben gerade nicht gut laufen oder auch Eigenschaften, die Du an Dir nicht besonders oder gar nicht magst und trotzdem nicht ablegen kannst. Manche Menschen gehen sogar noch weiter und lehnen strikt alles ab, was in irgendeiner Weise negative Energie in ihr Leben bringen könnte. Sie sind davon überzeugt, dass ihnen allein die positive Einstellung ein glückliches, erfolgreiches und zufriedenes Leben beschert. Ist dem wirklich so und wie sinnvoll ist es, negative Dinge konsequent zu ignorieren und einfach auszublenden? Im Hinblick auf Deine Weiterentwicklung, Dein persönliches Wachstum, Deinen Erfolg und vor allem Deine psychische Gesundheit – überhaupt nicht! Es gehört zur Entwicklung Deiner Persönlichkeit dazu, Dich auch Deinen Schattenseiten im Leben zu stellen, sie anzuschauen. Nur wenn Du Dir ihrer bewusst bist, kannst Du sie integrieren und zu einem nützlichen Teil Deiner Persönlichkeit machen. Wenn Du Deine negativen Gefühle, Gedanken und Eigenschaften hinterfragst und ihnen offen und ehrlich begegnest, lernst Du sehr viel über Deine wahren Bedürfnisse und Ängste! 

Was denn nun? Positivität oder Negativität?

Die Antwort lautet hier ganz klar: Beides! Die Dosis macht das Gift und es gilt hier ein gesundes Gleichgewicht zu finden. Das bedeutet im Klartext, sich nicht in negativen Gedanken und Gefühlen sowie Selbstzweifeln oder -hass zu verlieren. Es bedeutet aber auch, nicht ständig die Augen davor zu verschließen und sich das Leben im wahrsten Sinne des Wortes schön zu affirmieren. Alles was im Übermaß und mit einem starren Fokus geschieht, ist nicht hilfreich, sondern schadet nur. Toxische Positivität ist zudem sehr oberflächlich. Sie lässt keine Tiefe und Sinnhaftigkeit zu. Im Grunde ist sie ein Kind der Social Media-Kultur – schön, oberflächlich und unaufgeregt. Eine gesunde positive Grundeinstellung gepaart mit Dankbarkeit hingegen wirkt erwiesenermaßen durchaus Resilienz stärkend und somit gesundheitsfördernd für unsere Psyche. Sie sorgt zudem dafür, dass Du Krisen besser überstehst. Kann Dich aber eben auch nicht immer davor bewahren.  Denn manchmal ist es einfach, wie es ist. Dann hilft auch kein krampfhaftes positiv Denken, sondern Du musst ins Tun kommen. Die Hände in den Schoß zu legen und sich das leere Bankkonto oder den blöden Kollegen schön zu reden, bringt Dich nicht weiter! Hinterfragen, nach Lösungen suchen, positiv in die Zukunft zu schauen und zu handeln aber schon! Positives Denken ist gerade im therapeutischen und beratenden Kontext eine wichtige Komponente, aber eben nicht ausschließlich. 

Auf dem Instagram-Profil von Paulo Coehlo sah ich kürzlich folgendes Posting:

Zu Deutsch: „Du kannst eine freundliche Person mit einem guten Herzen sein und Menschen trotzdem sagen, dass sie sich ver***** sollen, wenn es notwendig ist.“ 

Die Kommentare unter dem Posting waren teilweise gefüllt von toxischer Positivität! Wenn jemand ein Arschloch ist, ist er eins. Punkt. Das muss man sich nicht in den schönsten Farben positiv denken. Sicher kann und sollte man Situationen hinterfragen, die einen triggern, aber manchmal gibt es eben auch nichts zu erkennen. Dann darfst Du Dich darüber ärgern und Deiner Wut Luft machen. Und anschließend darfst Du Dich genauso wieder etwas Positivem zuwenden. 

Welche Folgen kann toxische Positivität haben?

  • Kann zu Selbstoptimierungswahn führen
  • Kann Angst vor negativen Gefühlen, Gedanken und Einflüssen fördern
  • Kann krankhaften Perfektionismus verstärken 
  • Kann durch den Druck immer positiv sein zu müssen Zweifel, Unsicherheiten und Unzulänglichkeitsgefühle verursachen
    • Warum habe nur ich negative Gedanken? Alle anderen sind immer so positiv!
    • Bin ich überhaupt gut genug?
    • Ich bin nicht positiv genug!
    • Ich darf nicht negativ denken!

Lass Dich nicht verrückt machen. Schau unbedingt kritisch auf das, was Dir täglich vor allem in den Sozialen Medien an Positivität präsentiert wird. Du bist keine Maschine, die Gedanken und Gefühle einfach abstellen kann. Dieses Ideal ist unerreichbar. Sei einfach Mensch mit all Deinen Facetten und einem gesunden Mindset!

Viele Tools der Persönlichkeitsentwicklung betonen die Wichtigkeit der richtigen Geisteshaltung (Mindset) und das ist auch nicht von der Hand zu weisen, denn Deine Gedanken und Gefühle beeinflussen Deine Handlungen. Auch wirst Du Unterschiede in den Lehren erkennen können. Ein guter Mentor wird Dir immer aufzeigen, wie wichtig es ist, Dich mit den negativen Dingen ebenso auseinanderzusetzen. Auch meine Arbeit verbindet den positiven mit dem negativen Pol. Das vermittle ich sowohl in meinen Coachings als auch in meiner Academy. 

Deine Vio


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