
Wenn du an einer Angststörung leidest, wirst du dir jetzt vermutlich sagen: „Was ist das für ein Blödsinn? Meine Angst macht mir das Leben so schwer.“ Und das kann ich absolut verstehen. Trotzdem möchte ich dir hier eine andere Sichtweise aufzeigen und vielleicht kannst du etwas davon für dich mitnehmen. Lass uns zuerst einen Blick darauf werfen, was Angst eigentlich ist und warum du sie sogar körperlich spürst. Zuerst einmal: Angst ist eine unserer Basisemotionen und (über) lebenswichtig! In früheren Zeiten wurden Menschen häufig mit lebensbedrohlichen Situationen konfrontiert. Angst spielte daher als eigenes Frühwarnsystem eine zentrale Rolle, um uns vor Risiken zu warnen und zu behüten. Diese Angst nennt man auch Zustandsangst. Sie bezeichnet ein vorübergehendes Angstgefühl in Folge einer realen Gefahr. Das spüren wir auch körperlich. Empfinden wir Situationen als bedrohlich, schütten unsere Nebennieren Adrenalin und Noradrenalin aus. Diese Hormone bewirken einen Pulsanstieg und wir spüren unser Herz schneller und kräftiger schlagen. Unsere Pupillen weiten sich und wir sind in der Lage, Kräfte frei zu setzen, die wir unter normalen Umständen nicht mobilisieren könnten.
In der heutigen Zeit finden wir uns nur noch selten in Situationen wieder, in denen unser Leben direkt bedroht wird. Dennoch empfinden wir oftmals Angst. Woher kommt diese Angst? Die Ängste des modernen Menschen sind so vielfältig wie wir selber. Menschen haben Existenzängste, Angst vor Terror und Krieg oder auch Angst vor einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Die Angst vor Kontrollverlust liegt den meisten unserer Ängste zugrunde und bereitet uns Sorge. Das ist erstmal vollkommen normal und betrifft die meisten Menschen irgendwann im Laufe ihres Lebens unterschiedlich stark. In der Regel lassen sich diese Sorgen und Ängste gut kontrollieren – auch wenn sie belastend sind – und gewinnen nicht die Oberhand. Was aber wenn sie außer Kontrolle geraten?
Von der Sorge zur Angststörung
Können wir unsere Gedanken und Ängste nicht mehr kontrollieren, sprechen Mediziner und Psychologen von einer Angsterkrankung oder Angststörung. Diese Form der Angst nennt man auch „trait anxiety“, d.h. Angst als Eigenschaft. Die Betroffenen empfinden Angst, auch ohne dass eine reale Gefahr vorliegt. Wie zeigt sich eine Angststörung? Bei vielen Betroffenen zeigt sich die Angststörung ganz plötzlich aus dem vermeintlichen Nichts in Form einer Panikattacke. Panikattacken werden begleitet durch Atemnot, Schwindel, Herzrasen und können in einer realen Todesangst gipfeln. Was absolut verständlich ist, wenn man sich die körperlichen Symptome, die durch das Empfinden von Angst ausgelöst werden, in Erinnerung ruft. Allein das Erleben einer Panikattacke kreiert eine neue Angst – nämlich die Angst vor der Angst!
Angststörungen können sich aber ebenso schleichend manifestieren. Die Betroffenen grübeln viel und befürchten selbst in alltäglichen Situationen Katastrophen zu erleben. Sie können diese zermürbenden Gedanken weder kontrollieren noch abstellen. Beide Verläufe haben eine einschneidende Wirkung auf das Leben der Betroffenen. Sozialer Rückzug, Vermeidung sowie körperliche Symptome durch das stetige Stresserleben schränken die Betroffenen extrem ein. Für Betroffene wird es zunehmend schwerer, ihren Alltag zu bewältigen.
Wie kannst du deiner Angst begegnen?
Eine Angststörung entsteht nicht einfach so. Oftmals hat unsere Seele schon verzweifelt versucht, auf sich aufmerksam zu machen. Wir Menschen neigen jedoch leider dazu, ihre Hilferufe zu ignorieren. Irgendwie wird es schon gehen. Bis das Fass überläuft. Die Folge ist dann (neben möglichen anderen psychischen Erkrankungen) häufig eine Angststörung. Du siehst also, das Warnsystem funktioniert im Grunde sehr gut! Die Angst versucht uns vor Überlastung, Stress oder auch traumatisierenden Erlebnissen zu schützen. Und genau hier kommt die Sache mit der guten Freundin ins Spiel! Denn genau wie es eine gute Freundin machen würde, will uns die Angst sagen: „Sieh her! Schau genau hin. Das tut dir nicht gut.“ Oder: „Schalte einen Gang zurück! Du kannst nicht länger so weitermachen.“ Vielleicht aber auch: „Befreie dich aus dieser Situation. Dieser Mensch (Job etc.) tut dir nicht gut! Du kannst nicht noch mehr aushalten.“ Und so wie eine gute Freundin nimmt sie dich bei den Schultern und schüttelt dich einmal kräftig. Wenn wir erkennen, dass unsere Angst ein Indikator für unsere seelische Gesundheit sein kann, dann hören wir ihr vielleicht zu statt sie zu bekämpfen.
Angst ist für die Seele ebenso gesund wie ein Bad für den Körper.
Maksim Gorki
Was kannst du tun, um dir deine Angst zu Nutze zu machen?
- Konzentriere dich auf das Hier und Jetzt! Gedanken an die Vergangenheit und die Zukunft sind oftmals Angst behaftet. Mach dir bewusst, dass die Vergangenheit vergangen ist. Du hast die Situation bewältigt! Und die Zukunft liegt noch vor dir. Angst vor zukünftigen Ereignissen ist irreal, denn du weißt noch gar nicht, was passieren wird.
- Wenn du Angst aufsteigen spürst, hinterfrage sie! Frage dich, ob es jetzt gerade eine konkrete Bedrohung gibt? Achtung! Wenn du unter Panikattacken leidest, mache dir bewusst, dass deine körperlichen Symptome eine Reaktion auf deine Angst sind.
- Häufig werden Panikattacken wieder und wieder durch die selben Situationen getriggert (z.B. beim Autofahren). Bist du in so einer Situation, denke daran, wie oft du diese Situation unbeschadet und vielleicht sogar ganz einfach erlebt hast.
- Konzentriere dich auf deine Atmung oder auf etwas, was du gerade siehst. Nimm jedes Detail wahr und lenke deinen Fokus somit weg von deiner Angst.
- Hinterfrage deine Lebenssituation! Was belastet dich? Hast du vielleicht gerade viel Stress oder bist unzufrieden?
- Nimm dir Auszeiten! Entspannungsverfahren können dir helfen, zur Ruhe zu kommen.
Unsere Gedanken in die richtige Richtung zu lenken, erfordert eine Menge Übung. Aber es zahlt sich aus. Je mehr wir versuchen, die Angst zu bekämpfen, umso mehr halten wir sie in unserem Bewusstsein und unserem Leben. Schaffen wir es, sie zu akzeptieren und zu hinterfragen, können wir die Dinge ändern, die dazu geführt haben.
Angst kann sehr erdrückend sein, daher solltest du dich nicht scheuen, dir Unterstützung durch einen Therapeuten oder Coach zu suchen. Wir begleiten dich gerne auf deinem Weg zu einer gesunden Angst!
Deine Vio
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